Oolong Tees - Raritäten aus Fujian
Fuzhou, 7. Mai 2016
Modern, alt und wieder modern.
Gestern Nachmittag nahm ich einen Hochgeschwindigkeitszug von Hangzhou nach Fuzhou. Nur wenige Stunden, um mehr als 700 Kilometer zurückzulegen. Der chinesische Hochgeschwindigkeitszug ist einer der Modernsten, die ich je gesehen habe und das Netz wächst Jahr für Jahr weiterhin unglaublich schnell. Im vergangenen Frühjahr dauerte es noch eine ganze Nacht, um von Wuyishan (wo die Wuyi Rock-Tees hergestellt werden) nach Shanghai zu reisen; seit Anfang 2016 sind es nur noch zweieinhalb Stunden!
Hangzhou Hochgeschwindigkeitsbahnhof.
Ich verbrachte die Nacht im gleichen Hotel, in dem ich letztes Jahr blieb; einfach, billig und sauber... zumindestens dachte ich das, bis ich eine riesige braune Kakerlake in der Nähe meines Bettes und seinen Begleiter, so groß wie mein Daumen, in der Dusche entdeckte.
Am nächsten Morgen holte mich Frau Yang Wei in ihrem brandneuen, weißen BMW ab. Sie ist eine Freundin, eine Freundin eines Freundes; aus mir unbekannten Gründen ist sie bereit, mir zu helfen. Frau Yang ist sehr elegant; Haare zurückgebunden, Haarreif mit Schleife und adrettem Auftreten. Sie ist sehr ruhig, anscheinend ernst. Doch ihr sporadisches, herzhaftes Lachen offenbart eine unbeschwerte Seele.
Hotelzimmer. Ms. Yang hinter dem Lenkrad ihres schicken BMW.
Ms. Yang ist nicht im Teegeschäft. Sie hat lange Zeit im Handel gearbeitet und führt nun, um mehr Zeit für ihren Sohn zu haben, einen Verlag. In China basieren Geschäfts- und Privatangelegenheiten auf Freundschaften und Beziehungen. Und Ms. Yang scheint in ihrem Leben einige davon gesammelt zu haben. Vor zwei Tagen habe ich ihr gesagt, welche Tees ich suche; innerhalb eines Tages organisierte sie meinen Aufenthalt in Fuzhou.
Ich habe keine Zeit nach Süd Fujian zu reisen, wo Bai Ya Qi Lan und Zhang Ping Shui Xian produziert werden. Beide Teesorten sind ziemlich unbekannte Oolong-Tees, die gerade erst in China auf dem Vormarsch sind. Meiner Meinung nach sind beide dem bekannten und überteuerten Tieguanyin überlegen. In Fuzhou, der Hauptstadt der Provinz Fujian, findet man leicht Tieguanyin, Wuyi Rock Tee und die schwarzen Tees aus dem Norden Fujians. Bis jetzt habe ich noch keine Teehändler gefunden, die beiden oben genannten Oolongs führen. Außerdem suche ich nach Bio-Tee, was die Suche noch komplizierter macht.
Wir fahren zu einer winzigen, aber wunderschönen Teestube, wo wir den ganzen Tag verbringen werden. Der Inhaber, ein ehemaliger Innenarchitekt, entschied sich vor zwei Jahren für einen Berufswandel und eröffnete diese Teestube.
Auf dem Gongfu Cha Tisch befindet sich ein Terrakotta-Topf. Im Inneren ziehen Blätter des weißen Tees kochendem Wasser; eine neue Art, Tee zu brühen, die ich bis jetzt nur mit Pu' er gesehen habe.
Links: Teehaus in Fuzhou, wo Frau Yang die heutigen Teetreffen organisiert hat.
Rechts: Ein Terrakottatopf auf einem Elektroherd. Kochendes Wasser mit wenigen weißen Teeblättern (Bai Mu Dan). Von Zeit zu Zeit wird etwas Tee aus der Kanne genommen und serviert, während der Rest weiterkocht.
Während wir auf die Teebauern warten, trinken wir gekochten weißen Tee, einen hervorragenden Shuixian Rock Tee (leider zu teuer für Nannuoshan; ich kann nur 50g für mich kaufen). Während der Verkostung zeigt Frau Yang einige Stücke ihrer Jade-Kollektion. Sie wählt die Mineralien aus, entwirft die Anhänger und beauftragt speziellen Werkstätten mit der Fertigung.
Ein altes Glas wird auf dem Gongfu-Cha-Tisch entsorgt. Zwei Stücke aus der Jade-Kollektion von Frau Yang.
Angeberei ist eingebettet in die chinesische Kultur genauso wie an jeden Schwachsinn zu glauben, der erzählt wird. Bescheidenheit, Peinlichkeit und Maßlosigkeit sind unbekannte Begriffe. Jeden zweiten Tag zeigt mir ein Teeverkäufer seine Tassenkollektion aus den Ming und Song Dynastien, die eigentlich nur in Museen Platz finden. Andere müssen ihre 70 Jahre alten Pu' er aufbrühen, die wahrscheinlich viel jünger sind. Ein anderer muss mir sagen, wie viel er für ein Teetablett ausgegeben hat (tausende Euro) oder mir seinen Freund vorstellen, der so tut, als sei er der beste Produzent eines bestimmten Tees, der am berühmteste Teetester von ganz Fujian und so weiter... Jeden Tag gibt es neue, unglaubliche Geschichten zu hören und sie wiederholen sich.
Die unglaublichstee Geschichte von heute ist die Jade-Kollektion von Frau Yang. Sie möchte in der Stadt einen Showroom eröffnen. "Ist all die Jade echt?" frage ich mich.
Glücklicherweise betritt der erste Teebauer das Zimmer. Es gibt keinen Grund mehr, mich mit unglaublichen Geschichten zu unterhalten. Er produziert Zhang Ping Shui Xian, einen Oolong-Tee aus Süd-Fujian, zu kleinen Brocken verpackt.
Er fuhr heute Morgen drei Stunden lang, nur um mich zu treffen und um dann heute Abend den ganzen Weg wieder zurückzugfahren. Hierfür hat er sich extra einen ganzen Tag in der geschäftigen Teesaison frei genommen. Während die Produktion von grünem Tee bereits beendet ist, werden gerade die größeren Blätter gepflückt, die für Oolong-Tees benötigt werden.
Er ist mir sympathisch. Er scheint aufrichtig zu sein und nicht anzugeben. Er besitzt Fotos seiner Teegärten. Die Blätter verarbeitet er selbst und hat die volle Kontrolle über den gesamten Prozess vom Anbau bis zum Endprodukt. Er zeigt mehrere Videos und Fotos und beantwortet kurz aber präzise meine Fragen. Der Tee ist ausgezeichnet! Ein frischer grüner Oolong ohne Anzeichen von Adstringenz; vollmundig und geschmeidig. Der blumige Geschmack ist im Vordergrund, weder zu süß noch zu aufdringlich.
Stolz zeigt der Teebauer seinen Zhang Ping Shui Xian, einen relativ unbekannten Oolong-Tee aus Süd-Fujian.
Inzwischen kommen auch weitere Teeproduzenten und Freunde. Der kleine Laden ist überfüllt. Zeit zum Mittagessen… Meeresfrüchte!
Mittagessen mit Frau Yang, meiner Dolmetscherin und einem Haufen Teeproduzenten.
Am Nachmittag ist es Zeit für Bai Ya Qi Lan, einen 1982 erfundenen Oolong-Tee. Der Besitzer und Manager einer mittelgroßen Teefabrik kam mit vielen Teeproben nach Fuzhou.
Wir beginnen mit einem Mao Cha (halbverarbeiteten Tee), der erst gestern gepflückt wurde. Dann probieren wir ein geröstetes Bai Ya Qi Lan, um den Einfluss der Röstung auf die Blätter zu genießen. Voller und kräftiger als der Mao Cha, aber dennoch sehr aromatisch; weniger süß, aber keineswegs bitter. Für meine Dolmetscherin war der Mao Cha sogar zu süß! Sie bevorzugt die stark gerösteten Bergtees aus Wuyishan.
Der nächste Tee ist Jin Mu Dan (Goldene Pfingstrose). Ein Tee, den er vor kurzem erst entwickelte, indem er zwei Teepflanzen, Tieguanyin und Huang Dan, kreuzte. Ein Klarer Duft von Orchidee, eine starke Präsenz im Mund, lang anhaltend, entzückend.
Blätter von Bai Ya Qi Lan vor und nach dem Eintauchen. Ein gerollter Oolong-Tee, der dem Tieguanyin ähnelt, jedoch süßer und weniger adstringierend.
Sie produzieren auch parfümierten Tee in ähnlicher Weise wie Jasmintee, verwenden aber stattdessen Pomeloblüten. Die Blüten werden mit den Teeblättern vermischt, um ihnen ihren Duft zu geben und vor dem Verpacken entfernt. Leider haben sie keine Probe von You Xiang Qi Lan (You Zi bedeutet Pomelo, Xiang steht für Duft). Sie werden mir Proben nach Shanghai schicken, zusammen mit weiteren Proben von Bai Ya Qi Lan und Jin Mu Dan.
Im Januar, während meiner letzten Teereise, hatte ich bereits ein Bai Ya Qi Lan gekauft. Ich werde ihn mit dieser Neuentdeckung vegrleichen, wenn ich zurück in Berlin bin und kaufe erst einmal nur die Jin Mu Dan, wenn ich überzeugt bin auch den You Xiang Qiang Qi Lan.
Verfasst von Gabriele