Sommerzeit - und der Tee ist recht fruchtig

Gerade haben wir (oder unsere mit dem Internet verbundenen smarten Helferlein) die Uhren auf Sommerzeit umgestellt, die Tage werden länger, die Sonne spendet uns täglich mehr Vitamin D. Doch mir ist das nicht genug. Nach einem dann doch noch recht kalt gewordenen Winter will ich mir noch mehr Vitamine gönnen. Will Frische am Morgen, denn immerhin muß ich jetzt jeden Tag wieder eine Stunde früher aufstehen. Zitrusfrüchte wären jetzt ideal, schließlich enthalten sie ja auch viel Vitamin C. Doch halt, ist Tee nicht viel gesünder? Enthält Tee nicht noch so viel mehr an vorgeblich oder tatsächlich gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen? Also dann, „tea it is“!

Jetzt schnell mal im Teeschrank gekramt. Was haben wir denn hier? Earl Grey, na ja. Muß man mögen. Kann auch gut munden, zumindest wenn er mit echtem Bergamotte-Orangenöl hergestellt wurde und nicht mit „naturidentischen“ Aromen aus Holzabfällen oder Schimmelpilzen. Was findet sich noch an Zitrusfrüchten? Ah! Eine etwas geschrumpelte und gaaanz leicht schwarz gewordene Pomelo, gefüllt mit irgendeinem Oolong. Und hier, getrocknete Mandarinen, gefüllt mit Shu-Pu’er. 

Pu'er stuffed Tangerine

Trinken oder nicht trinken?
Das ist die Frage...


Hm, Zitrusfrucht ist das ja schon, doch heute heute suche ich nach Frische, passend zum sonnigen Palmsonntag. Und Teefreund Ralph ist zu Besuch gekommen, da darf es auch etwas Besseres sein.

Rein zufällig fallen mir da zwei Tees von Nannuoshan in die Gaiwane. Ein Huang Zhi Xiang und dann noch ein You Xiang You Hong, angenehmerweise bei Nannuoshan für Schreibfaule nur „Pomelo“ genannt. Während letzterer ein roter („Hong“), also Schwarztee ist, so handelt es sich beim Huang Zhi Xiang um einen Dancong Oolong. Lassen wir uns den doch mal zuerst schmecken.

Huang Zhi Xiang by Nannuoshan

Huang Zhi Xiang waiting to be brewed

 

Was hat denn nun der  Huang Zhi Xiang mit frischen Zitursfrüchten zu tun? Immerhin bedeutet sein Name auf Deutsch doch Gelber Gardenien Duft? Nun, viele Huang Zhi bieten zusätzlich zu den floralen Noten auch noch einen deutlichen bis kräftigen Duft nach Orangenblüten. So auch dieser, wenn auch bei weitem nicht so stark wie ein Vergleichs-Huang Zhi aus meinem Bestand. Beide Tees zeigen trocken wie nach dem Aufgiessen gleich gute Blattqualität und sind auch im Preis exakt gleich. Gebrüht wird mit Volvic und nach den Ziehzeitvorgaben (45/60/60/90) von Nannuoshan. Mein Mittrinker und ich sind überrascht von diesen eher langen Zeiten, beginnen wir doch sonst bei Dancongs mit 5 bis 15 Sekunden. Dafür dosieren wir wie immer eher kräftig, 5g auf 150ml. Das Ergebnis hat es gerechtfertigt. Sehr schönes Aroma, Ralph spricht eher von Gelber Rose als von Gardenie, das Orangenblütenaroma kommt aber erst ab dem dritten Aufguss richtig durch, zuvor ist es eher Aprikose. Dafür haben wir auch mit dem sechsten Durchgang noch unsere Freude. Der Vergleichstee ist kräftiger bezüglich der Orange; vielleicht liegt es daran, dass er einen Hauch dunkler produziert ist? Mir persönlich gefällt das besser, doch wir sind beide einig, dass der Nannuoshan insgesamt aromareicher und noch etwas wertiger ist.

Angenehm erfrischt und schon sehr zufrieden wenden wir uns dem Pomelo zu. Als Schwarztee bietet er nicht die natürlichen fruchtigen oder floralen Noten, die viele Oolongs zeigen; Duft und Geschmack kommen durch die Pomeloblüten, die ähnlich wie bei hochwertigen Jasmintees mehrfach zum Beduften hinzugefügt und dann wieder entfernt werden.

You Xiang You Hong (Pomelo) by Nannuoshan

Highlight of the day: Pomelo

 

Auch hier halten wir uns an die Ziehzeitvorgaben von 15/30/30/45/45/60 und dosieren genau wie vorgegeben. Bereits beim Waschgang gibt es ein Aha-Erlebnis, ein ganz besonderer Duft liegt in der Luft. Die Aufgüsse bestätigen ihn, ein überraschendes, unbekanntes, intensives Erlebnis zieht sich durch die sechs Aufgüsse. Nicht so säuerlich und zitrusartig wie beim Huang Zhi, sondern milder und honigsüß, aber mit deutlichem Hinweis auf Pomelo. Das Aroma wird nie dominant und ist trotzdem sehr deutlich und einzigartig. Einen siebten Aufguss lassen wir noch einmal viel länger ziehen und Ralph beschreibt den Duft und Geschmack nun schön mit: „leicht bitter wie das Weiße zwischen Schale und Frucht, aber immer noch angenehm“.

Ich hatte den Pomelo schon mehrfach genossen und bin nun doch überrascht, wie begeistert mein Teegast ins Schwärmen gerät. Das hatte er nicht erwartet, und ich beim ersten Mal auch nicht, sind doch aromatisierte Tees oft eher enttäuschend. Hier erleben wir aber ganz großes Kino, das möchte man nicht verpassen.

Ob, wie eingangs scherzhaft erwähnt, ich hiermit nun mehr Vitamine zu mir genommen habe als durch den Genuss von hochwertigen Fruchtsäften sei dahingestellt. Geschmeckt hat’s allemal. Gesunde Vitamine zu naschen muss also noch nicht einmal Kalorien haben.

Der Sommer kann also kommen. Die tropischen Früchte oder zumindest deren Aromen sind bereits in unseren Teeschalen. Oder wie man hierzulande sagt: „O’zapft is!“

 

Geschrieben von Jens