Der Grüne Tee mit den weißen Blättern
Anji, 28. bis 29. April
Anji ist ein hügeliger und ruhiger Kreis, der nur wenige Autostunden südwestlich von Shanghai liegt. Er ist in China berühmt für seinen Bambuswald, Bambus-Artefakte und den Anji Bai Cha, den grünen Tee mit den weißen Blättern.
Die weißen Blätter von Bai Ye Yi Hao, dem Kultivar, der für Anji Bai Cha verwendet wird.
Es gibt keine Eisenbahn in der Region, so dass ich auf Busse angewiesen bin. Ich übernachte in einer kleinen Stadt, unweit von Dipu, der Hauptstadt von Anji. Kein Verkehr, Leute, die langsam und entspannt über die engen Straßen gehen; ich mag diese ländliche Einstellung! Ich esse in einem muslimischen Restaurant und gehe dann ins Bett.
Eindrücke von Xiaoshu, einer ruhigen Stadt, die von Hügeln umgeben ist.
Am Morgen holt mich Huifang vom Hotel ab. Wir nehmen einen Bus zu ihrem Dorf, wo ihre Familie Anji Bai Cha produziert. Sie lebt in einem modernen und großen Haus. Anji Bai Cha ist in China sehr beliebt und hochpreisig; einer der teuersten unter den grünen Tees. Andere Bauern in der Stadt verdienten ein Vermögen mit dem Verkauf von Tee und bauten ähnliche Häuser.
Die Teebauern leben in luxuriösen Häusern, aber bis auf das Haus selbst ist ihr Leben immer noch einfach und ländlich. Es scheint, als hätten sie ihr ganzes Budget für Gebäude ausgegeben, ohne etwas für Möbel und Deko übrig zu lassen.
Den ganzen Vormittag verbringen wir mit der Verkostung von Tee in Huifangs Teestube. Wir vergleichen Tees verschiedener Erntetage; je früher die Ernte, desto kleiner und teurer die Blätter. Der Geschmack sollte dementsprechend sein, aber das ist nicht immer der Fall. Wir verkosten blind, um nicht von Preis und Aussehen beeinflusst zu werden. Huifang muss zugeben, dass unter den drei Tees der günstigste am besten schmeckt; er ist süßer und voller, mit einem klaren Umami-Aroma.
Anji Bai Cha Verkostung. Blattgut aus verschiedenen Ernten zeigt optische und geschmackliche Unterschiede.
Die Herstellung von Anji Bai Cha ist recht einfach. Nach der Ernte werden die Blätter drei Stunden lang gewelkt, dann in einer Maschine bei hoher Temperatur erhitzt, um Oxidation zu stoppen; die Bewegung der Maschine gibt den Blättern auch die klassische Nadelform. Die restliche Feuchtigkeit wird dann noch entfernt, indem die Blätter 15 Minuten lang in einem Ofen bei 100°C gebacken werden.
Huifang’s Manufaktur: rechts das Welken, links die Heizmaschine, hinten links der grüne Ofen.
Wir essen zusammen mit ihrer Familie zu Mittag und machen dann eine Wanderung zu den Teegärten. Heute ist der letzte Erntetag. Ihr Vater hat gerade angefangen, die Büsche mit der Motorsäge herunter zu schneiden, während ihre Mutter die letzten Blätter pflückt. Die Sträucher werden im Sommer wieder nachwachsen.
Die Luft ist sauber, der Himmel blau und die Landschaft schön. Saubere Seen, Wasserläufe und grüne Bambuswälder.
Schöne und ruhige Landschaft in der Anji-Landschaft.
Zurück zu Hause beginnen wir eine neue Teerunde. Ich habe tagelang Tees von unserem Sichuan- Lieferanten in meinem Rucksack getragen und jetzt habe ich endlich die Zeit, sie auszuprobieren. Neben den klassischen Sichuan-Grüntees - Ganlu und Zhu Ye Qing - haben wir auch noch andere unbekannte und damit erschwingliche Grüntees erhalten, einen Chuan Hong Cha (traditioneller Sichuan-Schwarztee), zwei Mei Zhan Hong Cha (schwarzer Tee aus dem gleichnamigen aromatischen Kultivar Mei Zhan, der in Fujian typischerweise für Oolong-Tees verwendet wird), sowie Mengding Huang Ya, eine der drei chinesischen gelben Teesorten. Die anderen beiden sind Huoshan Huang Ya und Jun Shan Yin Zhen.
Es dauert ein paar Stunden, um alle Tees zu probieren. Ich werde sicher den süßen und frische Ganlu und den dunkleren der beiden Mei Zhan einkaufen, welche mich mit Aroma, Körper und Preis überzeugt haben. Ich habe bereits andere Mei Zhan Schwarztees ausprobiert und alle waren nur leicht oxidiert, nicht völlig schwarz. Niedrig-oxidierte Blätter haben Aroma, aber der Infusion wird es an Stärke und Körper fehlen, Eigenschaften, die normalerweise in schwarzem Tee erwartet werden.
Sichuan Schwarztees: Verkostung von Mei Zhan Hong Cha und Chuan Hong Cha.
Anji, 30. April
Wieder eine kurze Nacht. Nur fünf Stunden Schlaf, um den ersten Bus in die Stadt zu nehmen. In etwa einer Stunde sind wir in Dipu, der Hauptstadt des Anji-Kreises. China ist unterteilt in Provinzen und Provinzen in Kreisen. Der Name des Kreises bezeichnet oft auch ihre Hauptstadt, obwohl die Einheimischen andere Namen verwenden. Dies ist oft irritierend, weil man nie weiß, ob die Leute über den Kreis oder die Stadt sprechen. Auch GoogleMaps erscheint häufig verwirrt, die Namen der Kreise, Städte und Dörfer sind nicht immer korrekt.
In Dipu besuche ich den Bambusmarkt. Dutzende von Geschäften, einer direkt neben dem anderen, verkaufen Teppiche, Lampen, Möbel und natürlich auch Teegeschirr. Bambus wächst überall in Anji und es gibt viele handwerkliche Bambuswerkstätten; die Auswahl ist also riesig und die Preise vernünftig. Ich kaufe handgeflochtene Untertassen, Tabletts für Michela - um den Tee im Teehaus zu servieren - und ein Teeset: ein Stück Bambusrohr zum Präsentieren der Blätter vor dem Einweichen, Zangen zum Überreichen der Tassen an die Gäste und einen fein geschwungenen Löffel zum Einfüllen von Tee in die Kanne.
Ein anmutiges Teewerkzeugset, das für Nannuoshan auf dem Bambusmarkt in Anji gekauft wurde.
Handgeflochtene Untertasse, jetzt bei Nannuoshan im Shop erhältlich.
Ich lasse den Rucksack und einen großen Beutel voller Teegeschirr in einem Restaurant zurück und verbringe die restlichen zwei Stunden auf einem der Dipu-Teemärkte. Hier probiere ich mehrere Tees von verschiedenen Herstellern und sammle Proben für eine spätere Verkostung. Dann nehme ich ein Taxi zum nagelneuen Fernbusbahnhof, um einen Bus nach Shanghai zu nehmen.
In den letzten Tagen habe ich viele Pakete mit Tee und Teegeschirr an unser Lager in Shanghai geschickt. Ich muß das Inventar sofort schreiben, bevor ich vergesse, was ich wo und zu welchem Preis gekauft habe. Außerdem habe ich auch Grüntee geschickt, den ich vor dem Versand nach Berlin im Kühlschrank aufbewahren möchte.
Geschrieben von Gabriele